Mund- Kiefer- Gesichtschirurgie

Stirn-Nasen-Dysmorphie

Fehlentwicklung des Vorderkopforganisators ohne Defektbildung.

Symptomatik:

Nasenregion stark verbreitert, Augenhöhlen liegen weit auseinander (Hypertelorismus). Binokuläres Sehen ist nicht möglich (Doppelbilder).

Therapie:

  • Orbitotomie mit Verlagerung beider Augenhöhlen und ihres Inhalts nach medial und Verschmälerung der Nase nach Knochenresektion im Bereich des Siebbeins.
  • Ausfüllung der seitlich im Bereich des Jochbeins entstandenen Defekte mit Rippenknochen.
  • Postoperativ orthoptische Übungen zur Beseitigung der Doppelbilder, gegebenenfalls operative Korrektur an den Augenmuskeln.

Dysplasia linguo-facialis (Grob-Syndrom)

Kombinierte Fehlbildung im Bereich des Vorderkopforganisators.

Symptomatik:

Verbreiterte Nase mit kleinen Nasenlöchern, mediane Lippenspalte, schüttere Kopfbehaarung mit Stirnglatze, Faltenbildung an den medialen Lidwinkeln (Epikantus), multiple Talgdrüsenretentionszysten im Gesicht, Schmalkiefer mit Faltenbildung und Bändern in den Mundvorhöfen und an der Zunge, Gaumenspalte, Zungenhöcker, Hydrocephalus, Handfehlbildungen, Intelligenzstörung.

Therapie:

  • Verschluss der Lippen- und Gaumenspalte.
  • Beseitigung der vestibulären Falten und der Zungenhöcker.
  • Kieferorthopädische Behandlung wegen der Intelligenzstörung nicht immer möglich.
Grob-Syndrom bei einem einjährigen Mädchen mit medianer Lippenspalte und Talgretentionszysten
Grob-Syndrom bei einem einjährigen Mädchen mit medianer Lippenspalte und Talgretentionszysten
Velumspalte
Velumspalte
Faltenbildung und Bänder im oberen Vestibulum
Faltenbildung und Bänder im oberen Vestibulum
Faltenbildung an der Zunge
Faltenbildung an der Zunge
Situation mit 12 Jahren nach Lippenplastik, Verschluss der Velumspalte und Exzision der Falten und Bänder. Die Talgretentionszysten haben sich spontan zurückgebildet.
Situation mit 12 Jahren nach Lippenplastik, Verschluss der Velumspalte und Exzision der Falten und Bänder. Die Talgretentionszysten haben sich spontan zurückgebildet.

Dysostosis mandibulo-facialis (Franceschetti-Syndrom)

Fehlbildung im Bereich des Hinterkopforganisators, die den ersten und zweiten Kiemenbogen betrifft.

Symptomatik:

Fehlbildung und Tiefstand – gelegentlich auch Aplasie – der Ohrmuschel mit Gehörgangsatresie und Aurikularanhängen, Hypoplasie des Jochbeins sowie des Ober- und Unterkiefers mit offenem Biss, Lateralabfall der Lidspaltenlinie, Makrostomie (quere Gesichtsspalte), Dysplasie des Kiefergelenks, Hypoplasie der Kaumuskulatur, Velumspalte.

Das Syndrom kann einseitig oder doppelseitig auftreten.

Mikroform: Ohranhänge bei normal ausgebildeter Ohrmuschel.

Therapie:

  • Exzision der Ohranhänge.
  • Operative Korrektur oder plastisch-chirurgischer Ersatz der Ohrmuschel.
  • Kieferorthopädische Behandlung.
  • Gegebenenfalls operative Korrektur des offenen Bisses und der Hypoplasie des Unter- und Oberkiefers.
  • Auffüllung hypoplastischer Gesichtskonturen durch Knochenersatzmaterial.
  • Korrektur der Lidspalte.
Dysostosis mandibulo-facialis (Franceschetti-Syndrom) mit Aplasie der Ohrmuschel und Gehörgangsatresie
Dysostosis mandibulo-facialis (Franceschetti-Syndrom) mit Aplasie der Ohrmuschel und Gehörgangsatresie
Dysostosis mandibulo-facialis der linken Gesichtsseite bei einem 24-jährigen Mann
Dysostosis mandibulo-facialis der linken Gesichtsseite bei einem 24-jährigen Mann

Robin-Syndrom

Fehlbildungskomplex durch verzögerte Zungensenkung mit Gaumenspalte, mandibulärer Retrognathie und Glossoptose.

Symptomatik:

Fliehendes Kinn, Gaumenspalte. Durch die zurückfallende Zunge können Atemstörungen auftreten, die in der Regel sofort nach der Geburt einsetzen und ein bedrohliches Ausmaß mit Erstickungsanfällen erreichen können. Zieht man den Unterkiefer nach vorn, so folgt die Zunge und der Atemweg wird sofort wieder frei.

Therapie:

In leichten Fällen:

Bauchlagerung.

  • Eingliederung einer nach dorsal extendierten Gaumenplatte, mit der die Gaumenspalte abgedeckt und die Zunge am Rückfall gehindert wird (Hotz).

Bei Erstickungsanfällen oder zu niedrigen Blutgaswerten:

  • Extensionsbehandlung: Es werden perimandibuläre Drähte angelegt an denen die Extension angreifen kann. Aus selbsthärtendem Kunststoff kann eine Unterkieferplatte angefertigt werden, die mit vier perimandibulären Ligaturen eingebunden wird. Die Extension des Unterkiefers wird über eine am Bett fixierte Rolle mit einem Gewicht von 100 g vorgenommen. Damit gelingt es, den Atemweg freizuhalten.
    Die Extension wird etwa sechs Wochen lang durchgeführt. Während dieser Zeit findet ein Gelenkumbau statt, durch den der Unterkiefer nach vorn rückt und die Atemwege nach Entfernung der Apparatur frei bleiben.
  • Der operative Verschluss der Gaumenspalte wird, wie üblich, am Ende des ersten oder am Anfang des zweiten Lebensjahres vorgenommen.
  • Wurde die Retrognathie durch die Extensionsbehandlung nicht vollständig beseitigt, so kommt nach Beginn des Zahnwechsels eine kieferorthopädische Behandlung in Frage.

Die alternativ vorgenommene Glossopexie (Douglas), bei der die Zunge nach Schaffung von Wundflächen am Alveolarfortsatz des Unterkiefers und an der Unterlippe durch Naht fixiert und nach einigen Monaten gelöst wurde, wird heute kaum noch vorgenommen.

Neugeborener Junge mit mandibulärer Retrognathie, Gaumenspalte und Glossoptose mit Atembehinderung (Robin-Syndrom)
Neugeborener Junge mit mandibulärer Retrognathie, Gaumenspalte und Glossoptose mit Atembehinderung (Robin-Syndrom)
Extension des Unterkiefers mit Hilfe einer dem Alveolarfortsatz angepassten und mit perimandibulären Drahtligaturen fixierten Kunststoffplatte
Extension des Unterkiefers mit Hilfe einer dem Alveolarfortsatz angepassten und mit perimandibulären Drahtligaturen fixierten Kunststoffplatte
Der Patient im Alter von 19 Jahren
Der Patient im Alter von 19 Jahren

Dysostosis cranio-facialis (Crouzon)

Vererbliche Fehlbildung durch vorzeitige Verknöcherung der Kranz- und Lambdanähte.

Symptomatik:

Transversal verbreiterter und sagittal verkürzter Schädel mit Exophthalmus, Strabismus divergens, Papageiennase, Hypoplasie des Oberkiefers, kurze Oberlippe.

Offener Biss, Zahnengstand, Zahnbogen V-förmig, hoher Gaumen, nicht selten zusätzlich Gaumen- oder Velumspalte. Leichter Hypertelorismus, Intelligenzstörung möglich.

Therapie:

  • Im ersten und zweiten Lebensjahr:
    Frontoorbitale Osteotomie mit Vorverlagerung und Kalottenmodellierung.
  • Kieferorthopädische Behandlung.
  • Bei Erwachsenen:
    Operative Vorverlagerung des hypoplastischen Mittelgesichts nach Le-Fort-III-Osteotomie mit Einlagerung stabilisierender Knochentransplantate (siehe Maxilläre Retrognathie).
  • Alternativ: Mittelgesichtsdistraktion (siehe Maxilläre Retrognathie).

Akrozephalosyndaktylie (Apert-Syndrom)

Vererbliche Fehlbildung mit vorzeitiger Verknöcherung der Schädelnähte.

Symptomatik:

Hoher Schädel ohne Hinterkopf (Akrozephalie), Unterentwicklung des Mittelgesichts, Protrusio bulbi, Strabismus divergens, mäßiger Hypertelorismus, Nase hypoplastisch. In 25 % Gaumen- oder Velumspalte. Zusätzlich Verwachsungen der Finger und Zehen (Syndaktylie).

Therapie:

  • Wie bei Crouzon-Syndrom.

Dysostosis acrofacialis (Weyers)

Mediane Unterkieferspalte, Oligodontie, überzähliger sechster Finger (Hexadaktylie).

Symptomatik:

Unterkieferspalte im knöchernen Bereich. Die vorhandenen Zähne sind nicht selten missgestaltet (Zapfenzähne, Odontoide). Das Vestibulum kann fehlen, so dass die Zähne in einer beweglichen Schleimhautmembran stehen.

Therapie:

  • Osteoplastische Überbrückung der Unterkieferspalte.
  • Gegebenenfalls Vestibulumplastik (s. später). Entfernung missgestalteter Zähne und prothetischer Ersatz.

Dysostosis cleido-cranialis

Symptomatik:

Agenesie oder Hypoplasie der Schlüsselbeine, kurzer Schädel (Brachycephalie), multiple Zahnretentionen auch überzähliger Zähne mit Milchzahnpersistenz (Pseudo-Oligodentie), gelegentlich follikuläre Zysten.

Therapie:

  • Operative Entfernung retinierter Zähne oder Freilegung mit anschließender kieferorthopädischer Behandlung.
18-jähriger Patient mit Dysostosis cleido-cranialis. Da die Schlüsselbeine fehlen, können die Schultern weit nach medial verschoben werden
18-jähriger Patient mit Dysostosis cleido-cranialis. Da die Schlüsselbeine fehlen, können die Schultern weit nach medial verschoben werden
Die Oberkieferzähne 16, 53, 52, 11, 61, 62, 63 und 24 sowie die Unterkieferzähne 83, 72 und 33 waren durchgebrochen. Die übrigen Zähne waren retiniert.
Die Oberkieferzähne 16, 53, 52, 11, 61, 62, 63 und 24 sowie die Unterkieferzähne 83, 72 und 33 waren durchgebrochen. Die übrigen Zähne waren retiniert.
Die Oberkieferzähne 16, 53, 52, 11, 61, 62, 63 und 24 sowie die Unterkieferzähne 83, 72 und 33 waren durchgebrochen. Die übrigen Zähne waren retiniert.
Die Oberkieferzähne 16, 53, 52, 11, 61, 62, 63 und 24 sowie die Unterkieferzähne 83, 72 und 33 waren durchgebrochen. Die übrigen Zähne waren retiniert.
Multiple Retentionen bleibender Zähne und Milchzahnpersistenzen
Multiple Retentionen bleibender Zähne und Milchzahnpersistenzen

Hemiatrophia faciei (Romberg)

Symptomatik:

Hypoplasie einer Gesichtshälfte, die sowohl die Weichteile (Haut, subkutanes Fettgewebe, Muskulatur, Zunge) als auch den Knochen (Oberkiefer, Unterkiefer, Jochbein, Stirnbein, Schläfenbein) betrifft.

Therapie:

  • Auffüllung der Gesichtskontur durch gestielte oder mikrovaskulär anastomosierte Fettplastik.
  • Kieferorthopädische Behandlung.

Hemihypertrophia faciei (Curtius)

Symptomatik:

Hypertrophie einer Gesichtshälfte (Haut, subkutanes Fettgewebe, Muskulatur, Knochen), Zahndysplasien, Hypodontie. Syndaktylie.

Therapie:

  • Exzision des überschüssigen Subkutangewebes.
  • Gegebenenfalls Gesichtshautstraffung (face lifting).
Linksseitige Hemihypertrophia faciei
Linksseitige Hemihypertrophia faciei
Situation nach Exzision des subkutanen Fettgewebes, Gesichtshautstraffung und Mundwinkelkorrektur
Situation nach Exzision des subkutanen Fettgewebes, Gesichtshautstraffung und Mundwinkelkorrektur

Masseterhypertrophie

Durch Überfunktion (z.B. Kaugummikauen) erworbene Hypertrophie.

Symptomatik:

Verbreiterung des Gesichts. Tastbare Vergrößerung der Massetermuskeln. Verdickung des Knochens im Bereich der Masseteransätze, insbesondere an den Kieferwinkeln.

Therapie:

  • Exzision des überschüssigen Muskelanteils.
  • Abtragung von Knochen am Kieferwinkel und auf der Außenseite des Unterkiefers.

Makroglossie

Angeborene oder durch Lymphstauungen oder parenchymatöse Entzündungen erworbene abnorme Vergrößerung der Zunge. Auch bei der Akromegalie (siehe Akromegalie) ist eine Makroglossie vorhanden.

Symptomatik:

Vergrößerte Zunge, die auch eine Prognathie des Unterkiefers (siehe Mandibuläre Prognathie) und einen offenen Biss (siehe Offener Biss) induzieren kann.

Therapie:

  • Operative Reduktion der Zunge.
  • Kieferorthopädische Behandlung der Prognathie des Unterkiefers oder des offenen Bisses.
  • Es kann auch eine operative Behandlung der Dysgnathie erforderlich werden.
Makroglossie mit offenem Biss bei einem 3-jährigen Jungen
Makroglossie mit offenem Biss bei einem 3-jährigen Jungen

Doppellippe (Ascher)

Schleimhautduplikatur am Oberlippensaum.

Therapie:

  • Exzision des überschüssigen Gewebes.
Besserung des offenen Bisses zwei Jahre nach operativer Zungenverkleinerung
Besserung des offenen Bisses zwei Jahre nach operativer Zungenverkleinerung
Okklusion mit elf Jahren während der kieferorthopädischen Behandlung
Okklusion mit elf Jahren während der kieferorthopädischen Behandlung
Okklusion mit 15 Jahren nach Abschluss der kieferorthopädischen Behandlung
Okklusion mit 15 Jahren nach Abschluss der kieferorthopädischen Behandlung