Entzündungen

Vom Ober- und Unterkiefer und den angrenzenden Räumen können sich Eiterungen in die weitere Umgebung ausbreiten. Dabei werden bestimmte Regionen bevorzugt, die durch ihre anatomische Beschaffenheit die Weiterleitung der Entzündung begünstigen.

Durch rechtzeitige Eröffnung der Primärabszesse und unterstützende Antibiotikabehandlung kann die Ausbreitung in die weitere Umgebung meistens verhindert werden. Die im folgenden beschriebenen Regionen werden daher heute nur noch selten – allenfalls bei ungenügender oder zu spät vorgenommener Inzision und unzureichender Antibiotikatherapie – von eiternden odontogenen Entzündungen befallen.

Eiterungen des retropharyngealen Raumes

Die Region liegt zwischen der hinteren Pharynxwand und der prävertebralen Faszie und reicht von der Schädelbasis bis ins dorsale Mediastinum.

Eiterungen aus dem Parapharyngealraum können sich in den retropharyngealen Bereich ausbreiten und bis in das Mediastinum absteigen.

Symptomatik:

Zusätzlich zu den Symptomen des parapharyngealen Abszesses kommen Rötung und Vorwölbung der hinteren Pharynxwand und Schluckbeschwerden und bei Befall des Mediastinums heftige Schmerzen und Beklemmungsgefühl in der Brust mit Atembeschwerden.

Therapie (stationäre Aufnahme):

  • Intubationsnarkose.
  • Inzision des parapharyngealen Abszesses. Dabei wird gleichzeitig ein bereits vorhandener retopharyngealer Abszeß im oberen Bereich eröffnet.
  • Hat sich der Eiter bereits gesenkt, so wird oberhalb der Clavicula auf den Ösophagus eingegangen und der Abszess hier eröffnet.
  • Ein Abszess des hinteren Mediastinums muß nach Rippenresektion paravertebral eröffnet werden.
  • Eine  hochdosierte, nach Vorliegen des Antibiogramms gezielte Antibiotikatherapie ist in jedem Falle erforderlich.

Eiterungen der Flügelgaumengrube und der Fossa infratemporalis

Die Parotisloge liegt zwischen dem Hinterrand des aufsteigenden Unterkieferastes und dem M. sternocleidomastoideus. Medial bestehen Verbindungen zum Recessus parastyloideus und zum parapharyngealen Raum.

Abszesse im Bereich der Parotisdrüse entstehen durch aszendierende Infektion über den Ausführungsgang.

Odontogene Eiterungen sind relativ selten; sie brechen sekundär vom Parapharyngealraum, vom Spatium pterygomandibulare, sowie vom masseterico-mandibulären oder retromaxillären Raum ein.

Symptomatik:

Druckschmerzhafte Schwellung hinter dem aufsteigenden Ast, die nach ventral bis in die Wange, nach dorsal bis zum Vorderrand des M. sternocleidomastoideus und nach kaudal bis in das Karotisdreieck reichen kann. Dringt die eitrige Entzündung bis in die subkutane Schicht vor, so kommt es zu Hautrötung und Fluktuation.

Entleert sich aus dem Parotisausführungsgang flockiges oder trübes Sekret, so handelt es sich um nicht um eine odontogene Entzündung, sondern um eine Parotitis.

Therapie (stationäre Aufnahme):

  • Intubationsnarkose.
  • Inzision unterhalb des Kieferwinkels. Eröffnung des retromandibulären Raumes vom Kieferwinkel her.
  • Bei subkutaner Eiterung wird zusätzlich ein Hautschnitt unterhalb des Fluktuationsbereiches angelegt.

Eiterungen der Temporalregion

Der M. temporalis wird lateral von der Fascia temporalis bedeckt, die sich in zwei Blätter teilt. Das innere Blatt setzt am Processus muscularis des Unterkiefers an, das äußere am Jochbogen. Zwischen den beiden Faszienblättern liegt das mit lockerem Fettgewebe ausgefüllte Spatium interfasciale, das mit der Fossa infratemporalis in Verbindung steht.

Entzündliche Prozesse der Temporalregion liegen entweder im Spatium interfasciale oder in der Tiefe unter dem M. temporalis. Die Infektion dringt über die Fossa infratemporalis in diese Regionen ein.

Symptomatik:

Bei der oberflächlichen Lokalisation im Spatium interfasciale kommt es bald zu einer Rötung der deckenden Haut mit Fluktuation.

Die tiefliegende Eiterung manifestiert sich durch eine druckschmerzhafte Schwellung der ganzen Temporalregion ohne Hautrötung.

Therapie (stationäre Aufnahme):

  • Zusätzlich zur Eröffnung der primär erkrankten Regionen bogenförmige Inzision über dem Temporalbereich mit Eröffnung der Abszeßhöhle.
  • Antibiotikatherapie.

Eiterungen der Orbita

Die Orbita steht über die Fissura orbitalis inferior mir der Flügelgaumengrube in Verbindung.

Odontogene Eiterungen dringen über die Flügelgaumengrube in die Orbita ein.

Ferner können entzündliche Prozesse der Nasennebenhöhlen eine eitrige Entzündung der Orbita auslösen.

Symptomatik:

Lidödem, Protrusio bulbi, Chemosis der Konjunktiva, Druckschmerz und Bewegungseinschränkung des Bulbus.

Therapie (stationäre Aufnahme):

  • Intubationsnarkose.
  • Eröffnung der primär befallenen Räume.
  • Zusätzlich extraorale Inzision in Höhe des unteren Orbitarandes. Ablösen des Periosts vom Orbitaboden in Richtung der Fissura orbitalis inferior.
  • Drainage.
  • Antibiotikatherapie.

Eiterungen im Trigonum caroticum

Das Karotisdreieck wird dorsal vom M. sternocleidomastoideus, ventral vom M. omohyoideus und kranial vom hinteren Biventerbauch begrenzt; hier besteht eine Verbindung zum Recessus parastyloideus. Entlang der V. facialis und der Lymphbahnen besteht eine Kommunikation mit der Submandibularloge.

Eiterungen der Submandibularloge können sich über die Faszienlücke der V. facialis oder entlang der Lymphbahnen in das Karotisdreieck ausbreiten. Ferner besteht eine Verbindung vom Parapharyngealraum über den Recessus parastyloideus entlang der großen Halsgefäße.

Symptomatik:

Zusätzlich zu den Symptomen  des Primärabszesses:

Schmerzhafte Schwellung des seitlichen Halsgebiets mit Druckschmerz am Vorderrand des M. sternocleidomastoideus.

Ausbreitungsmöglichkeiten:

  • Supraklavikulargrube und Mediastinum.
  • Thrombophlebitis der V. jugularis.

Therapie (stationäre Aufnahme):

  • Intubationsnarkose.
  • Eröffnung des Primärabszesses.
  • Inzision am Vorderrand des M. sternocleidomastoideus.
  • Drainage.
  • Hochdosierte Antibiotikatherapie, zunächst ungezielt, nach Vorliegen des Antibiogramms gezielt.