Frakturen und Verletzungen

Bruchspaltinfektionen

Hauptsächlich bei Unterkieferfrakturen bei unzureichender Ruhigstellung und/oder fehlender antibiotischer Abdeckung.

Durch Bewegungen der Bruchenden werden die gingivalen Wundränder offen gehalten, so dass Bakterien und Detritus von der Mundhöhle her eindringen können.

Bruchspaltabszess:

Meistens perimandibulärer, selten submandibulärer Abszess.

Therapie:

  • Inzision und Drainage.
  • Schienung und Ruhigstellung der Fragmente durch mandibulo-maxilläre Fixation.
  • Gegebenenfalls Extraktion des im Bruchspalt stehenden Zahnes.
  • Hochdosierte Antibiotikatherapie, zunächst ungezielt, nach Vorliegen des Antibiogramms gezielt.

Bruchsaltosteomyelitis:

Abszess- und Fistelbildung im perimandibulären, submukösen und sublingualen Bereich mit Sequesterbildung.

Therapie:

  • Gezielte Antibiotikatherapie.
  • Mandibulo-maxilläre Fixation für längere Zeit.
  • Operative Therapie, wie Exkochleation, Sequesterentfernung, Dekortikation wie bei chronischer (nicht frakturbedingter) Osteomyelitis (siehe Entzündungen der Kieferknochen).

Pseudarthrose

Bindegewebige Überbrückung des Bruchspalts nach Bruchspaltinfektionen, ungenügender Ruhigstellung oder mangelhafter Reposition der Fragmente sowie Weichteilinterposition.

Therapie:

  • Bei straffer Pseudarthrose ohne Okklusionsstörung Kompressionsosteosynthese unter Belassung des Bindegewebes im Bruchspalt.
  • Bei schlaffer Pseudarthrose Entfernung des Bindegewebes zwischen den Fragmenten. Abtragen der Kortikalis an den Fragmentenden. Interposition eines Knochentransplantats. Plattenosteosynthese.

 

 

 

 

Pseudarthrose nach Unterkieferfraktur
Pseudarthrose nach Unterkieferfraktur
Überbrückung des Knochendefekts mit einem Beckenkammtransplantat. Fixation durch Plattenosteosynthese und Zuggurtungsschiene
Überbrückung des Knochendefekts mit einem Beckenkammtransplantat. Fixation durch Plattenosteosynthese und Zuggurtungsschiene

Defektfrakturen

Knochen- und Weichteildefekte kommen hauptsächlich bzw. insbesondere nach Schussverletzungen und Eindringen von Fremdkörpern vor. 

Therapie:

  • Primärversorgung: Fixation der Knochenfragmente in der richtigen Position durch Schienenverbände. Provisorische Versorgung der Weichteilverletzungen.
  • Nach primärer Abheilung: Endgültige Defektdeckung durch gestielte Weichteillappen oder freie Transplantate mit mikrovaskulären Gefäßanastomosen.
  • Nach Aufbau der Weichteile werden die fehlenden Kieferabschnitte durch Knochentransplantate ersetzt.
  • Bei älteren Patienten können Oberkieferdefekte auch durch eine Defektprothese gedeckt werden.

Heilung in dislozierter Stellung

Nach unzureichender oder fehlender primärer Versorgung.

Symptomatik:

Okklusionsstörung, im Unterkiefer Stufenbildung.

Im Oberkiefer typische Dislokationsstellung: Verlagerung nach dorsal und kaudal mit offenem Biss und Pseudoprogenie (Schüsselgesicht, dish face).

Therapie:

  • Bei Unterkieferfrakturen Osteotomie an der Frakturstelle, Reposition der Fragmente und Fixation durch Schienenverbände und Plattenosteosynthese. Bei Substanzverlust muss ein Knochentransplantat zwischen den Fragmenten eingelagert werden.
  • Beim Schüsselgesicht kann der Oberkiefer nach Refrakturierung durch Le-Fort-II- oder -III-Osteotomie in die richtige Position gebracht und durch Miniplattenosteosynthese fixiert werden.
  • Eine andere Möglichkeit besteht – unabhängig von den primären Frakturstellen – darin, die Okklusion nach Le-Fort-I-Osteotomie oder Rückverlagerung des Unterkiefers wiederherzustellen und die ebenfalls zurückgesunkene Nasenbasis durch Knorpeleinpflanzung oder Implantation eines Knochenersatzmaterials wieder aufzubauen.

Disloziert verheilte Orbitabodenfrakturen

Nach Jochbein- und kombinierten Mittelgesichtsbrüchen und Blow-out-Frakturen.

Symptomatik:

Bulbustiefstand mit Enophthalmus und Doppelbildern nach kaudaler Dislokation des Orbitabodens.

Therapie:

  • Durch eine Bulbushebung gelingt es in der Regel, die Doppelbilder beim Geradeaussehen – nicht immer jedoch beim Blick zur Seite sowie nach oben oder unten – zu beseitigen.
  • Für eine Bulbushebung gibt es folgende Möglichkeiten:
  • Refrakturierung mit Anhebung des Orbitabodens.
  • Bulbusanhebung durch Einlagerung eines Knochenersatzmaterials im Bereich des Orbitabodens und Abdeckung mit einer resorbierbaren Folie.

Spätschäden nach Gelenkfortsatzfrakturen

Bei dislozierten Kollumfrakturen, Gelenkwalzenbrüchen und Luxationsfrakturen können nach der Abheilung Deformierungen, Pseudarthrosen und Gelenkkopfresorptionen auftreten, die Funktionsstörungen, wie Bewegungseinschränkungen des Unterkiefers und Seitenabweichung bei der Mundöffnung, zur Folge haben. Ferner kann sich eine Arthrosis deformans (siehe Arthrosis deformans) entwickeln.

Ankylosen (siehe Ankylose) sind bei Kindern häufiger als bei Erwachsenen. Bei frühkindlichen Ankylosen kommt es in der Regel zu Wachstumsstörungen des Unterkiefers.

Gebissschäden

Hauptsächlich nach Zahn- und Alveolarfortsatzfrakturen.

An devitalisierten Zähnen können apikale entzündliche Prozesse auftreten, die durch Extraktion oder Wurzelspitzenresektion beseitigt werden müssen.

Parodontopathien entstehen, wenn der marginale Alveolarknochen bei der Verletzung oder durch Ligaturenverbände geschädigt wurde.

Durch Schmutzretention an den Schienen werden kariöse Prozesse begünstigt.

 

Abflachungen des Vestibulums

Bei Schleimhautverletzungen und Defekten des Alveolarfortsatzes.

Therapie:

Posttraumatische Kieferhöhlenentzündungen

Gelegentlich nach Mittelgesichtsfrakturen. Der Prozentsatz wird mit 6 - 8 % angegeben.

Die Diagnose muss anhand der klinischen Symptomatik gestellt werden. Das Röntgenbild der Nasennebenhöhlen ist kein zuverlässiges diagnostisches Hilfsmittel, weil nach Mittelgesichtsfrakturen Verschattungen aufgrund ausgedehnter Vernarbungen zurückbleiben können.

Bei Verdacht auf Sinusitis maxillaris sollte eine Antroskopie durchgeführt werden. Bestätigt sich der Verdacht, so ist eine Kieferhöhlenoperation erforderlich (siehe Entzündungen der Kieferhöhle, Sinusitis maxillaris).

Verlegung des Tränenweges

Nach Mittelgesichtsfrakturen kann durch Abriss oder Striktur des Ductus nasolacrimalis der Abfluss der Tränenflüssigkeit gestört sein.

Therapie:

  • Dakryozystorhinostomie: Der Tränensack wird zur Nase hin geöffnet.
  • Bei vollständiger narbiger Obstruktion des Tränensacks wird operativ ein Gang zwischen medialem Lidwinkel und Naseninnerem angelegt.

Nervenschädigungen

Nach Mittelgesichtsfrakturen: N. infraorbitalis, nach Unterkieferfrakturen: N. alveolaris inferior.

Symptomatik:

Anästhesien, Parästhesien, neuralgiforme Schmerzen.

Therapie:

  • Eine Anästhesie kann sich durch Einwachsen sensibler Nervenfasern oder Regeneration eines teilweise oder vollständig durchtrennten Nervs zurückbilden.
  • Bei ausbleibender Regeneration Nerventransplantation (siehe Ausfälle und Reizerscheinungen des N. trigeminus).
  • Bei Schmerzattacken: Wiederholte Leitungsanästhesien oder Leitungsunterbrechung durch Glycerin-Blockade oder Neurexhairese (siehe Trigeminusneuralgie).

Nach Weichteilverletzungen: N. facialis:

Therapie:

Posttraumatische Speichelfisteln oder Speichelzysten

Therapie:

  • Äußere Speichelfistel der Parotisdrüse: Operative Revision mit Ableitung einer Saugdrainage zur Mundhöhle. Äußerer Nahtverschluss.
  • Speichelzyste: Operative Entfernung mit Ableitung einer Saugdrainage zur Mundhöhle.

Narbenhypertrophie

Wenn eine exakte Adaptation zerfetzter Wundränder nicht möglich war oder die Wundränder unter Spannung standen, kann nach Abheilung eine Narbenhypertrophie entstehen. Ferner gibt es Patienten, die zur Keloidbildung neigen.

Therapie:

  • Sekundäre Narbenkorrektur.

Schmutzeinsprengungen

Therapie:

  • Dermabrasion mit einem Schleifstein. Die dabei entstehende Schürfwunde kann unter dem sich bildenden Schorf oder unter feuchten Verbänden abheilen.

Weichteildefekte

Therapie:

  • Primäre oder sekundäre Versorgung durch Nahtlappen oder freie Transplantate mit mikrochirurgischem Gefäßanschluss.

Knochendefekte im Schädelbereich

Therapie:

  • Sekundärer Knochenersatz durch Beckenkamm- oder Rippentransplantate oder durch Knochenersatzmaterial.

Oritadefekt mit Verlust des Auges

Therapie:

  • Sekundärer Knochenersatz der Orbitawände durch Knochentransplantate.
  • Rekonstruktion der Orbitaränder durch Knochenersatzmaterial.
  • Ersatz des Orbitainhalts durch Lappenplastik oder Transplantat mit mikrochirurgischem Gefäßanschluss, Ausformung von Augenlidern und einer Prothesenhöhle für ein künstliches Auge.
  • Alternative: Ersatz des Orbitainhalts einschließlich der Augenlider durch eine Epithese.

Traumatische Sattelnase

Therapie:

  • Osteotomie und Aufrichtung des knöchernen Nasengerüstes.
  • Gegebenenfalls ist zusätzlich die Einlagerung eines Winkelspans aus Knorpel erforderlich.