Anästhesie

Intoxikationserscheinungen treten auf, wenn der Blutspiegel eine gewisse Höhe überschreitet.

Ursachen:

Überdosierung: Eine exakt definiert Grenzdosis gibt es für die einzelnen Lokalanästhetika nicht, weil nicht die lokal verabfolgte Dosis, sondern die Blutkonzentration entscheidend ist.

Als Faustregel kann gelten, dass von Erwachsenen (Körpergewicht 70 kg) 400 mg 2%iges Lidocain (20 ml) oder 400 bis 600 mg 4%iges Articain (10 bis 15 ml) bei subkutaner Injektion vertragen werden, vorausgesetzt, dass Adrenalin als Vasokonstringens in einer Konzentration von 1:100 000 oder 1:200 000 oder ein anderes Vasokonstringens in entsprechender Konzentration zugesetzt ist.

Die Grenzdosis für Adrenalin beträgt 0,2 mg. Bei einer Konzentration von 1:100 000 ist Adrenalin der begrenzende Faktor, bei 1:200 000 das Lokalanästhetikum.

Die Grenzdosis für das Lokalanästhetikum gilt für subkutane Injektionen außerhalb der Mundhöhle.

Bei Kindern muss die Höchstdosis individuell anhand des Körpergewichts errechnet werden.

Wird ein Oberflächenanästhetikum zusätzlich verwandt, so muss die Injektionsdosis entsprechend reduziert werden.

Beschleunigte Resorption:

Im stärker vaskularisierten Mundhöhlenbereich ist die Resorptionsgeschwindigkeit höher als in anderen Körperregionen. Die für subkutane Applikation angegebenen Dosen dürfen daher im zahnärztlichen Bereich nicht voll ausgeschöpft werden.

Mit einer besonders schnellen Resorption muss gerechnet werden, wenn in ein akut entzündetes hyperämisches Gewebe injiziert wird.

Der Adrenalinzusatz verringert die Resorptionsgeschwindigkeit.

Eine höhere Konzentration des Lokalanästhetikums beschleunigt die Resorption.

Bei langsamer Injektion hat der zugesetzte Vasokonstriktor mehr Zeit, den Injektionsort durch Gefäßverengung abzuriegeln.

Ein Oberflächenanästhetikum wird sehr schnell resorbiert. Mehr als zwei Sprühstöße sollten daher nicht appliziert werden.

Intravasale Injektion:

Eine versehentliche intravasale Injektion hat als auslösender Faktor einer Intoxikation eine besondere Bedeutung, weil dabei mit kleinen Dosen schon ein rascher Anstieg des Blutspiegels erzeugt werden kann.

Es ist daher notwendig, sich nach Platzierung der Kanüle durch mehrmalige Aspiration davon zu überzeugen, dass kein Gefäß angestochen wurde. Dies kommt am häufigsten bei der Leitungsanästhesie am Foramen mandibulae vor.

Symptomatik:

Es treten Symptome des Zentralnervensystems (ZNS), des Vegetativums und des kardiovaskulären Systems (CVS) auf:

Erregungsphase:

  • ZNS: Unruhe, Ohrensausen, Schwindel, Delirium, Krämpfe, die in massive Streckkrämpfe mit Zyanose übergehen.
  • Vegetativum: Schweiß, Übelkeit, Erbrechen.
  • CVS: Tachykardie, Blutdruckanstieg, Hautrötung.

Lähmungsphase:

  • ZNS: Bewusstseinsverlust, Koma, motorische und sensible Lähmung, Atemlähmung.
  • Vegetativum: profuser Schweiß, Patient lässt unter sich.
  • Blässe, Herzstillstand.
  • Bei schwerer Intoxikation kann die Erregungsphase so schnell durchlaufen werden, dass sie klinisch nicht in Erscheinung tritt. Der Patient wird blass und fällt in kurzer Zeit ins Koma.

Therapie:

  • Beim Auftreten von Krämpfen Notarzt anrufen!
  • Gleichzeitig muss sofort eingegriffen werden:

In der Erregungsphase:

  • Intravenöse Injektion von 5 bis 10 mg Midazolam (Dormicum), danach alle zwei Minuten 1 bis 2 mg bis zur Entkrampfung.
  • Alternativ: Initiale Injektion von 10 bis 15 mg intralingual.
  • Bei Kindern intralingual 0,15 bis 0,2 mg/kg Körpergewicht.
  • Sauerstoffbeatmung mit Atembeutel zum Ausgleich des durch die Krämpfe erhöhten Sauerstoffbedarfs.

In der Lähmungsphase:

  • Tieflagerung des Kopfes.
  • Intravenöse Injektion von 1 ml Akrinor.
  • Anlegen einer Infusion.
  • Bei Herzstillstand Wiederbelebungsmaßnahmen.

Prophylaxe:

Strikte Beachtung der Grenzdosis.

Anlegen einer Venenkanüle nach Überschreitung von 25 %* der Grenzdosis.

Bereithaltung von Midazolam und Infusionslösung.

Bereithaltung eines Beatmungsgerätes und der Möglichkeit einer Sauerstoffbeatmung.

Injektionen in hyperämisches, entzündlich verändertes Gewebe sollten nur in geringen Mengen appliziert werden.

Lokalanästhetika haben auch eine sedierende Wirkung. Bei Injektion größerer Dosen kann die Verkehrstüchtigkeit eingeschränkt sein.

Es wird daher empfohlen, Patienten nach Lokalanästhesie nicht selber im Kraftfahrzeug nach Hause fahren zu lassen, wenn ein Drittel der Grenzdosis überschritten wurde.

Bevor ein Patient die Praxis verlässt, sollte abgewartet werden, bis die Analgesie abgeklungen ist.

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*Empfehlung der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft.