Der AIDS-Erreger ist ein Retrovirus, das als HIV (Human Immunodeficiency Virus) bezeichnet wird und einen Ausfall von T-Helfer-Lymphozyten und damit eine schwere Störung der Immunabwehr bewirkt, so dass sich Infektionen mit opportunistischen Erregern ausbreiten und maligne Tumoren (Kaposi-Sarkom, B-Zell- und Non-Hodgkin-Lymphome) entstehen können.
Die Übertragung erfolgt wie bei der Serumhepatitis durch parenterale Inokulation über Epithelverletzungen. HIV ist in allen Körperflüssigkeiten infizierter Personen – insbesondere im Blut und in der Samenflüssigkeit – enthalten. Dringen diese Flüssigkeiten über Epithelerosionen, Wunden oder Stichverletzungen in den Organismus gesunder Personen ein, so können diese ebenfalls infiziert werden.
Risikopersonen sind insbesondere männliche Homosexuelle mit wechselnden Intimpartnern, aber auch heterosexuelle Prostituierte. Gefährdet sind weiterhin Drogenabhängige, die sich parenterale Injektionen mit ungenügend sterilisierten Spritzen verabfolgen. Als Risikopersonen gelten ferner heterosexuelle Partner von Infizierten, Neugeborene infizierter Mütter und substitutionspflichtige Hämophiliepatienten. Bei Patienten, die Bluttransfusionen benötigen, ist ein Risiko trotz obligatorischem HIV-Test bei Blutspendern nicht völlig auszuschließen, es ist allerdings sehr gering.
Symptomatik:
Der klinische Verlauf umfasst verschiedene Stadien:
Diagnose:
Serologische Untersuchungen zum Nachweis von Antikörpern bei Laborärzten oder in Zentrallabors von Krankenhäusern.
Therapie:
Prophylaxe:
Ein Impfstoff existiert noch nicht. Die einzige Prophylaxe ist z.Zt. die Vermeidung einer Infektion.
Orale Candidiasis (Soor)
Erreger sind in der Mundhöhle vorkommende Soorpilze. Die HIV-assoziierte Candidiasis entsteht als opportunistische Infektion auf dem Boden der Immunschwäche und präsentiert sich in folgenden Formen:
Pseudomembranöse Candidiasis: Punktförmige und flächenhafte weißliche oder gelbliche Plaques auf der Schleimhaut, die sich entfernen lassen. Es liegt dann eine leicht blutende Oberfläche frei.
Erythematös-atrophische Candidiasis: Flächenhafte oder fleckige Rötung der Schleimhaut. Am Zungenrücken können die Papillae filiformes atrophieren.
Hyperplastische Candidiasis: Weiß-gelbe Flecken oder Knötchen der Wangenschleimhaut, die sich nicht entfernen lassen.
Diagnose:
Bakteriologische Untersuchung eines Abstrichpräparats.
Therapie:
Systemische Gaben von Ketoconazol (Nizoral).
HIV-assoziierte Gingivitis
Verdickung und Rötung der Papillen durch Hypervaskularisierung der Schleimhaut, aber auch nekrotisierend-ulzeröse Gingivitis. Unterscheidet sich von der nicht-HIV-assoziierten Gingivitis durch die Beteiligung auch der vestibulären beweglichen Schleimhaut und die Therapieresistenz.
Diagnose:
Bei therapieresistenter Gingivo-Stomatitis sollte an die Möglichkeit einer HIV-Infektion gedacht werden.
Therapie:
HIV-assoziierte Parodontitis
Akute nekrotisierende und ulzerierende Gingivitis in Kombination mit einer progredienten Parodontitis mit Schmerzen und Spontanblutungen. Perkussionsempfindlichkeit der Zähne, die schnell locker werden. Foetor ex ore durch Vernachlässigung der schmerzhaften Mundpflege.
Diagnose:
Progredienter Verlauf mit Zahnlockerung spricht für HIV-Infektion.
Therapie:
Herpes simplex
Opportunistische Infektion mit dem Herpes-simplex-Virus bei HIV-Infizierten. Perioral und intraoral, besonders an der Gingiva und am Gaumen Bläschen, die rasch platzen und erythematöse schmerzhafte Erosionen und Ulzerationen hinterlassen (siehe auch Viruserkrankungen der Mundschleimhaut).
Diagnose:
Abstrich und zytologischer Nachweis von viralen Riesenzellen oder Einsatz monoklonaler Antikörper.
Therapie:
Herpes zoster
Opportunistische Infektion mit Varizellen-Zoster-Virus. Im Ausbreitungsgebiet eines Trigeminusastes schmerzhafte dunkelrote Flecken und Bläschen.
Diagnose:
Auftreten bei jüngeren Patienten erweckt den Verdacht auf HIV-Infektion. Der nicht HIV-assoziierte Zoster tritt fast nur bei älteren Patienten auf.
Therapie:
Haar-Leukoplakie
Vermutlich durch das Epstein-Barr-Virus ausgelöste Epithelhyperplasie mit Akanthose und Hyperkeratose, hauptsächlich am Zungenrand, seltener am Zungenrücken als weiße, unregelmäßig konturierte Bezirke mit glatter Oberfläche oder als gefaltete und zerklüftete haarartige Papeln.
Diagnose:
Charakteristische Konfiguration.
Therapie:
Papilloma-Virus-Infekte
Durch Papilloma-Viren entstehen Warzen, Papillome, Kondylome und lokale epitheliale Hyperplasien im Bereich der Mundschleimhaut. Eine Therapie ist in der Regel nicht erforderlich.
Kaposi-Sarkom
Neben den nicht-HIV-assoziierten Kaposi-Sarkomen (siehe Sarkome) gibt es das durch HIV ausgelöste Sarkom, das bei etwa einem Drittel der AIDS-Patienten vorkommt.
Symptomatik:
Im Bereich der Haut findet man rosa-bläuliche Flecken, violett-rötlich verhärtete Plaques und dunkelbräunliche oder bläuliche Tumorknoten. Die älteren dieser Tumorknoten haben oft einen gelb-grünen Rand wie ein Hämatom.
Intraoral wird am häufigsten der harte Gaumen durch symmetrische blau-rote Knoten befallen.
Die regionären Lymphknoten können ebenfalls betroffen sein. Im fortgeschrittenen Stadium treten gastrointestinale Absiedelungen und Lungeninfiltrate auf.
Diagnose:
Histologische Untersuchung eines exzidierten Knotens.
Therapie:
Non-Hodgkin-Lymphome
Die HIV-assoziierten Lymphome unterscheiden sich von den übrigen Non-Hodgkin-Lymphomen (siehe Sarkome) dadurch, dass vorwiegend junge Patienten betroffen sind. Neben dem Befall der Lymphknoten gibt es auch extranoduläre Lokalisationen im Knochenmark, ZNS und Gastrointestinaltrakt sowie in der Mundhöhle, Lunge und Leber.
Diagnose:
Histologische Untersuchung eines exzidierten Knotens.
Therapie:
Konsequenzen für die zahnärztliche Praxis:
Bei HIV-verdächtigen oralen Manifestationen und bei Risikopersonen (Homosexuelle, Prostituierte, Drogenabhängige, Hämophiliepatienten) Empfehlung einer Abklärung der Situation durch HIV-Test. Lehnt ein Patient es ab, sich einem HIV-Test zu unterziehen, so darf ihm trotzdem die notwendige zahnärztliche Behandlung nicht verweigert werden.
Die üblichen Desinfektions- und Sterilisationsmaßnahmen sind bei exakter Anwendung ausreichend zur Vermeidung einer Übertragung von HIV auf gesunde Patienten.
Tragen von Schutzhandschuhen während der Behandlung zur Vermeidung eines Kontakts mit Blut oder Speichel.
Vermeidung von Verletzungen durch Instrumente, die mit Blut oder Speichel kontaminiert sind.
Tragen einer Schutzbrille und eines Mundschutzes bei Anwendung von spraygekühlten Schleif- und Bohrinstrumenten und bei Ultraschall-Zahnsteinentfernungen als Schutz gegen Spraynebel.
Patienten, die als HIV-Träger bekannt sind, sollten am Ende der Sprechstunde behandelt werden. Nach der Behandlung ist eine gründliche Flächen- und Raumdesinfektion erforderlich.