Forscher sehen im Speichel ein Diagnosemedium der Zukunft: Möglicherweise lassen sich mit dieser Mundflüssigkeit zahlreiche allgemeinmedizinische Krankheiten frühzeitig erkennen – zum Beispiel bei Zahnarztbesuchen.
Normalerweise würdigen wir den Speichel kaum eines Gedankens. Allenfalls ist er mit Ekelgefühlen verbunden, manchmal spucken wir ihn sogar aus. Und bei der Zahnbehandlung ist die Flüssigkeit so störend, dass sie abgesaugt werden muss. Dennoch geht es nicht ohne diesen Mundsaft, denn für unsere Zahn- und Mundgesundheit ist er unersetzbar.
Auch außerhalb der Mundhöhle ist Speichel interessant: für den Nachweis von Karies- und Parodontitiserregern in der Zahnarztpraxis oder etwa im Sport zur Messung von Hormon- und Medikamentenspiegeln. In der Kriminalistik sind Speichelproben etabliert, um Täter zu überführen, ebenso in der Anthropologie (= Wissenschaft vom Menschen) zur Klärung von Verwandtschaftsbeziehungen unserer Vorfahren.
Unser Speichel taugt aber scheinbar zu mehr. Nicht wenige Forscher glauben, dass sich mit ihm auch Erkrankungen von Herz, Leber und Niere, Diabetes oder Krebs frühzeitig erkennen lassen. Erste Erfolge gibt es bei der Früherkennung von Mundhöhlenkrebs, an dem jährlich 10.000 Menschen in Deutschland neu erkranken.
Wissenschaftler haben Gene im Speichel ausfindig machen können, die Hinweise auf die Krebserkrankung geben. In den USA und in Großbritannien gibt es bereits Speicheltests zur Diagnose von HIV. Und in den USA sind kleine Geräte mit hochempfindlichem Nachweissystem in Erprobung, die aus einem Tropfen Spucke eine erste Krankheitsdiagnose ermöglichen sollen.
„Die Flüssigkeit aus der Mundhöhle verrät viel darüber, wie es uns geht“, sagt auch Prof. Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer. „Es könnte sein, dass die Krebsdiagnostik beim Zahnarztbesuch zukünftig Alltag wird und der Patient zur Vorsorge eine Speichelprobe abgibt“, glaubt er weiter. Der halbjährliche Routinebesuch beim Zahnarzt hätte damit eine Art Schlüsselfunktion für die allgemeine Gesundheitsvorsorge.
Im Speichel liefern vor allem Eiweißstoffe, die vom Blut in den Speichel übergegangen sind, Hinweise auf eine Krankheit. Auch werden in den Speicheldrüsen selbst zahlreiche Eiweiße gebildet. Entscheidend für die Speicheldiagnose ist, dass sich mit dem Auftreten einer Erkrankung die typische Eiweiß-Zusammensetzung ändert.
Welche Eiweißstoffe überhaupt im Speichel zu finden sind, das untersuchten US-Forscher im so genannten Speichel-Proteom-Projekt. Zudem bestimmten sie die Speichelmuster von Patienten, die unter verschiedenen Erkrankungen leiden. Diese typischen Muster lassen sich zur Diagnose von Krankheiten einsetzen.
Was den Speichel gegenüber Blutproben so interessant macht, ist seine schnelle, schmerzlose und kostengünstige Verfügbarkeit. Auch der Umgang im Labor ist einfach. Ob allerdings Speichel die Blutprobe je vollständig ersetzen kann, wird heute noch bezweifelt. Dennoch sind In Zukunft einfache Tests für eine erste Einschätzung bei Krankheitsverdacht zu erwarten.
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