Die entzündliche Reaktion spielt sich im Knochenmarkgewebe, im Gefäßbindegewebe der Haversschen und Volkmannschen Kanäle sowie im Periost ab. Die eigentliche Knochensubstanz, bestehend aus Hartgewebe und Osteozyten, nimmt an dem Entzündungsgeschehen nur passiv teil.
Man unterscheidet die folgenden Begriffe:
Periostitis: Entzündung des Periosts.
Ostitis: Entzündung im Bereich der Gefäßkanäle innerhalb der Knochensubstanz. Diese Form der Entzündung ist keine eigenständige Erkrankung; sie tritt nur in Verbindung mit einer Osteomyelitis oder Periostitis auf. Auf die Bezeichnung „Ostitis“ sollte daher im klinischen Sprachgebrauch verzichtet werden.
Osteomyelitis: Entzündung des Knochenmarkgewebes, schließt in der Regel die Ostitis und bei größerer Ausdehnung auch die Periostitis mit ein.
In der Antibiotikaära nur noch selten vorkommendes stürmisch verlaufendes Krankheitsbild.
Symptomatik:
Körpertemperatur erhöht, reduzierter Allgemeinzustand, Erhöhung der Blutsenkungsgeschwindigkeit, Leukozytose. Eiteransammlungen im intra- und extraoralen Bereich, die phlegmonösen Charakter annehmen können. Im fortgeschrittenen Stadium Knochennekrosen im Kieferbereich mit Zahnlockerung und marginalem Eiterabfluss. Spontanfrakturen, Demarkation und Abstoßung von Sequestern.
Im Röntgenbild erste Veränderungen nach 2 - 3 Wochen als wolkige, unregelmäßige Aufhellungen, die an Umfang zunehmen. Später Sequesterbildung als von Aufhellungszonen umgebene Knochenstrukturen.
Durch Knochenszintigraphie können Veränderungen einer akuten Osteomyelitis bereits nach 48 Stunden erkannt werden, während die röntgenologische Manifestation erst nach 2 bis 3 Wochen erfolgt.
Differenzialdiagnose:
Superinfizierter Tumor. Zur Abklärung ist eine Biopsie erforderlich.
Therapie (gegebenenfalls stationäre Aufnahme):
Entstehung in der Mehrzahl der Fälle als primär chronische Entzündung, nur selten aus einer akuten Osteomyelitis als sekundär chronische Osteomyelitis.
Unterkieferosteomyelitis:
Die chronische Osteomyelitis ist im Unterkiefer sechsmal häufiger als im Oberkiefer.
Symptomatik:
In der Umgebung des Unterkiefers entstehen entzündliche Infiltrate, umschriebene Abszesse und Fistelbildungen, aus denen sich im weiteren Verlauf Sequester abstoßen können. Zahnlockerungen mit Eiterentleerung aus den Zahnfleischtaschen und Spontanfrakturen kommen vor. Durch Irritation des N. alveolaris inferior können neuralgieartige Schmerzen auftreten, die etwas später in eine Anästhesie im Ausbreitungsgebiet des Nervs übergehen (Vincent-Symptom).
Röntgenologisch findet man bei der umschriebenen Osteomyelitis unregelmäßige unscharf begrenzte Aufhellungen mit teilweise noch erhaltener Knochenstruktur. Sequester erscheinen als unregelmäßig gestaltete Knochenstücke von normaler oder leicht aufgelockerter Knochenstruktur, die vom einem Aufhellungshof umgeben sind.
Im Ausheilungsstadium ist die Knochenstruktur oft vergröbert und unregelmäßig strahlendurchlässig, wobei die Aufhellungsbezirke nur noch undeutlich kontrastieren. Verdichtungen der Knochenstruktur (Sklerosierungen), die durch überschüssige Knochenproduktion zustande kommen, imponieren als Verschattung.
Die Regenerationskraft ist im Unterkiefer relativ gut. Im Ausheilungsstadium kann auch ein hochgradig eingeschmolzener Unterkiefer weitgehend neu aufgebaut werden.
Andererseits kann eine Unterkieferosteomyelitis mitunter recht hartnäckig sein. So gibt es Erkrankungen, die sich über Monate und Jahre hinziehen können. Manchmal kommt es gar nicht zu Eiter- und Sequesterbildung. Man findet dann nur eine mit neuralgiformen Schmerzen einhergehende Auftreibung des Unterkiefers mit relativ uncharakteristischer Zeichnung des Röntgenbildes und ein leicht schmerzhaftes Weichteilinfiltrat.
Differenzialdiagnose:
Bei allen chronischen Formen der Osteomyelitis, insbesondere bei der zuletzt beschriebenen Form, muss auch ein Tumor in Betracht gezogen werde. Eine Biopsie ist in solchen Fällen notwendig.
Therapie:
Beseitigung der vaskulären Insuffizienz durch Entfernung des nekrotischen und schlecht durchbluteten Gewebes. Je nach Umfang der notwendigen Maßnahmen stationäre oder ambulante Behandlung.
Bei größeren osteomyelitischen Prozessen Dekortikation:
Bei ausgedehnten Prozessen mit umfangreicher Knochendestruktion und Spontanfraktur Kontinuitätsresektion des erkrankten Unterkiefersegments und Ersatz durch Beckenkammtransplantat:
Oberkieferosteomyelitis
Hauptsächlich auf den Alveolarfortsatz beschränkt.
Symptomatik:
Der befallene Alveolarfortsatzanteil ist wulstförmig verdickt, die Gingiva gerötet und geschwollen. Die betroffenen Zähne sind gelockert und zeigen marginalen Eiterabfluss. Ferner kommen vestibuläre und palatinale Abszesse, Infiltrate und Fistelbildungen vor. Einbruch der Entzündung in die Kieferhöhle ist möglich. Oberlippe und Wangenregion können geschwollen sein. Sequesterbildung und Spontanfrakturen sind seltener als im Unterkiefer.
Im Röntgenbild findet man im Bereich der Osteomyelitis eine diffuse unscharf begrenzte Aufhellung und gegebenenfalls Sequesterbildung.
Die Ausheilungsphase verläuft im Oberkiefer schneller als im Unterkiefer, die Regenerationskraft ist allerdings bedeutend geringer, sodass die verlorengegangene Knochenstruktur nur unvollkommen wieder aufgebaut wird.
Differenzialdiagnose:
Tumor, histologische Abklärung erforderlich.
Therapie:
Seltene Osteomyelitisform, die nahezu ausschließlich nach unzureichender Eröffnung eines retromaxillären Abszesses entsteht.
Symptomatik:
Schläfen- und Wangeninfiltrat oberhalb und unterhalb des Jochbogens mit extra- und intraoralen Fisteln. Hochgradige Kieferklemme.
Therapie:
Wundheilungsstörung nach Zahnextraktion durch Entzündung des knöchernen Zahnfaches, meistens in Verbindung mit neuralgiformen Schmerzen.
Ursachen:
Knochenquetschung bei unsachgemäßer Zahnextraktion.
Extraktion im akut entzündlichen Stadium.
Mangelhafte Mundhygiene.
Trockene Alveole bei zu stark gefäßverengendem Vasokonstriktorzusatz zum Lokalanästhetikum.
Symptomatik:
Die Alveole bleibt bei ausbleibender Blutung leer oder das zunächst vorhandene Blutkoagulum zerfällt infolge bakterieller Zersetzung. Am 2. Tag ist die Alveole entweder leer oder mit Speiseresten und Detritus gefüllt. Möglich ist auch eine eitrige Sekretion mit Abstoßung von Sequestern, dabei kann die ganze Alveolenwand als trichterförmiges Gebilde sequestrieren. Bei der Abheilung füllt sich die Alveole mit Granulationsgewebe, das schließlich vernarbt und verknöchert.
Häufig wird die Alveolitis von einer Neuritis der angrenzenden Nervenfasern oder einer symptomatischen Neuralgie begleitet (Dolor post extractionem).
Therapie der Alveolitis:
Therapie bei gleichzeitigem Dolor post extractionem:
Hämatogene Ursachen: Furunkel, u.a. eitrige Prozesse, auch im Anschluss an Infektionskrankheiten (Scharlach, Typhus, Diphtherie).
Lokale Ursachen: Fortgeleitete Nasennebenhöhlenentzündung oder Mittelohrentzündung (Otitis media). Odontogene Entzündungen sind im Kleinkindesalter selten, sie nehmen etwa vom 3. Lebensjahr an zu und überwiegen danach deutlich.
Oberkieferosteomyelitis:
In der Regel als akute Form im Oberkiefer, bis zum 2. Lebensjahr häufiger als im Unterkiefer.
Symptomatik:
Hohes Fieber, Schüttelfrost, Schmerzen im Oberkiefer, Verweigerung der Nahrungsaufnahme, Diarrhöen und Erbrechen. Lippen- und Wangenschwellung, Lidödem. Bei Orbitabeteiligung Protrusio bulbi, Chemosis der Konjunktiva und Bulbusdruckschmerz. Eiterausfluss aus der Nase. Intraoral sind Gingiva und Gaumenschleimhaut geschwollen. Bei weiterem Verlauf Fistelbildung und Demarkation von Sequestern und Zahnkeimen (Zahnkeimosteomyelitis).
Therapie:
Unterkieferosteomyelitis:
Lokalisation der in der Regel hämatogen entstandenen Osteomyelitis im Säuglings- und Kleinkindesalter vorwiegend im aufsteigenden Ast.
Bei älteren Kindern – etwa vom 3. Lebensjahr an – ist die Unterkieferosteomyelitis vorwiegend odontogenen Ursprungs und im horizontalen Ast lokalisiert. Sie unterscheidet sich dann von der Osteomyelitis der Erwachsenen nur durch die zusätzliche Beteiligung der Zahnkeime.
Symptomatik:
Im Säuglings- und Kleinkindesalter: Fieber und Weichteilschwellung der Wangen- und Parotisregion. Ausbreitung in den horizontalen Ast möglich, wobei auch Zahnkeime sequestrieren können. Nicht selten werden Wachstumszonen durch den Entzündungsprozess geschädigt, woraus eine spätere Wachstumsstörung mit Verkürzung der betroffenen Seite und entsprechender Kinnverschiebung resultiert (Vogelgesicht). Bei Befall des Kiefergelenks kommt es zu einer narbigen oder knöchernen Verbindung mit der Schädelbasis (Ankylose) mit weitgehender oder vollständiger Einschränkung der Mundöffnungsmöglichkeit.
Bei älteren Kindern ab 3. Lebensjahr: Die vom horizontalen Ast ausgehende Unterkieferosteomyelitis unterscheidet sich von der Erwachsenenosteomyelitis nur durch die zusätzliche Beteiligung der Zahnkeime und das Auftreten von Wachstumsstörungen, die aber nicht so gravierend sind, wie die Deformierungen im aufsteigenden Ast.
Therapie:
Bei chronischer Osteomyelitis unter gezielter Antibiotikatherapie:
Nach Abheilung der Osteomyelitis:
Fast ausschließlich im Unterkiefer vorkommende überwiegend produktive Form der Knochenmarkentzündung, bei der eine eitrige Einschmelzung im makroskopischen Bereich nicht erkennbar ist. Mikroskopisch kommen jedoch Mikroabszesse und Mikrosequester vor. Vermutlich handelt es sich um eine odontogene Infektion mit wenig virulenten Keimen.
Symptomatik:
Diffuser Knochenumbau mit Verdickung und Auftreibung des befallenen Knochenabschnitts. Neuralgiformer Schmerz oder dumpfer Dauerschmerz durch Irritation des N. alveolaris inferior. Im Röntgenbild findet man eine diffuse Verdichtung der Knochenstruktur mit fleckiger Zeichnung, wobei Kortikalis und Spongiosa ineinander übergehen. Die Erkrankung kann jahrelang bestehen und dann spontan abheilen.
Differenzialdiagnose:
Morbus Paget, fibröse Dysplasie, ossifizierendes Fibrom, Osteom, Osteosarkom, zahnhartsubstanzbildende Tumoren.
Die Diagnose muss durch histologische Untersuchung einer operativ entnommenen Gewebsprobe verifiziert werden.
Therapie:
Sklerosierung durch periphere Knochenneubildung bei rückläufiger entzündlicher Aktivität, z.B. bei sklerosierender apikaler Parodontitis oder als Residuum abgeheilter lokaler Osteomyelitis.
Symptomatik:
In der Regel schmerzlos. Im Röntgenbild Sklerosierung im peripheren Bereich einer apikalen Aufhellung oder auch im Bereich vitaler Zähne, hier vermutlich aus einer chronischen marginalen Entzündung entstanden. Auch im zahnlosen Kiefer werden Sklerosierungen gefunden, die vermutlich als Residuen früherer odontogener Prozesse anzusehen sind.
Differenzialdiagnose:
Odontogene hartsubstanzbildende Tumoren, Osteome.
Therapie:
Nach Bestrahlung maligner Tumoren mit ionisierenden Strahlen kann mitbestrahltes Knochengewebe, das wesentlich mehr Strahlenenergie absorbiert als Weichgewebe, in seiner Vitalität eingeschränkt werden, so dass schon relativ geringe entzündliche Reize zu einer Nekrose des geschädigten Knochengewebes führen können. Hauptinfektionsquellen sind marginale Entzündungsprozesse der Zähne oder eine Extraktionswunde, die infolge der Strahlenschädigung nicht abheilt.
Symptomatik:
Beginn Monate oder Jahre nach der Bestrahlung ohne wesentliche Gegenreaktion, im Unterkiefer häufiger als im Oberkiefer. Nekrose der betroffenen Knochenregion und der deckenden Weichteile mit freiliegendem reaktionslosem Knochen. Extraoral können Fisteln mit ulkusartigem Fistelmaul entstehen, aus denen sich nur wenig Sekret entleert. Spontanfrakturen des Unterkiefers kommen vor. Die Patienten klagen über einen dumpfen Dauerschmerz mit teilweise neuralgieartigem Charakter.
Röntgenologisch findet man in den Bereichen totaler Osteoradionekrose keine Veränderungen der Knochenstruktur; in den weniger geschädigten Regionen sind unregelmäßige Aufhellungsbezirke und selten Sequesterbildung erkennbar.
Differenzialdiagnose:
Tumorrezidiv, histologische Abklärung erforderlich.
Therapie:
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